Finito ferie, Focaccia per sempre

Treno treno - Numero Cinque

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Am ersten Juni wurde es Sommer, auf den Tag genau. Von da an war alles getränkt in eine verlässliche Hitze, die zwei Eis am Tag und ein friedliches vor sich hin Braten rechtfertigte. Am zweiten September, als ich gerade den zweiten Teil der Elena Ferrante Saga im Piscina Bellariva mit Schweißtropfen versah, verdunkelte sich innerhalb weniger Minuten der Himmel, ein beeindruckender Donner rollte in der Ferne, kam näher und nach kurzem Atem an halten tropfte es nicht mehr nur von meiner Stirn in mein wunderschönes Buch. Seitdem ringe ich mit einer Traurigkeit, die fast schon an Verzweiflung grenzt, die ich versuche zu Verdrängen. Ich spüre die Gänsehaut auf dem Weg in die eiskalte Dusche, das Stechen im Kopf durch eine absurd hohe Heizrechnung und die immer wiederkehrenden Gliederschmerzen der immer wiederkehrenden Infekte und Erkältungen. Ich werde schwitzend, halb betäubt in einer italienischen Pharmacia stehen und versuchen zu beschreiben, dass meine Mandeln mir den letzten Nerv rauben. Ich werde zwei Wollpullover abwechselnd tragen, für eine unangebracht lange Zeit. Bestimmt findet es jemand gemütlich, mit einem heißen Tee auf plüschigem Mobiliar zu ruhen und ein Buch zu lesen, in einem netten Café, während es draußen stürmt. Ich kann das nicht finden, nicht mehrere Tage und Wochen und halbe Jahre lang. Nicht, wenn auf dem Weg dort hin Wasser in die Schuhe zieht, Nieselregen verlässlich ins blasse Gesicht peitscht und Regenschirme auf den schmalsten Fußwegen ever built unwirsch gegeneinander rasseln. Nicht, wenn ich draußen auf einer Wiese Riso und Amaretto von Gelateria Vivoli essend Elena Ferrante lesen könnte.

Sonnenbett auf Elba

Sonnenbett auf Elba

Ich habe durch ein trübes, winziges Fenster geschaut und an aufeinander gestapelten Pfirsichen vorbei das Meer gesehen. Draußen haben zwei schwarze Hunde gebellt, unsere Knie angeleckt und sind dann im sich verlierenden Garten verschwunden. Wir sind in der Mittagssonne die Berge auf der steilen Straße hinab gepest, haben im nicht enden wollende Sonnenuntergang wie Süchtige gekniffelt, einen Aperol Spritz in der Hand, unsere eben erworbene Bräune verglichen. Wir haben auf erhitzten Steinen gelegen, auf dem Sand kleiner Buchten, auf salzigen Strandtüchern, im Meer und auf den knarzenden Sonnenstühlen neben dem roten Holzhaus, während wir dem lieben Besitzer beim Feuerholz zerkleinern zugehört haben. Nichts war schlimmer, als die Fähre nach Piombino zurück zu nehmen. Doch, eins schon. Der endlose Regen am darauf folgenden Sonntag, als ich mit dem Fahrrad zu meiner Freundin gefahren bin und innerhalb weniger Minuten unfreiwillig gebadet wurde, während breite Touristen nicht aufhören konnten, die leergefegte, erschöpfte Ponte Vecchio auf würdelosen Urlaubsselfies zu verewigen.

Ich würde gerne für immer mit dem Zug durch den Süden Italiens fahren. Mir gegenüber säße eine hochgewachsene Italienerin die ab und an E-Zigarette rauchend im Zugflur verschwände, mit ihrem Papa telefonierend und dann wieder Arancini essend über ihr Gesichtsbuch gebeugt säße und ganze Passagen mit Bleistift unterstriche. Neben mir säße eine schlafende Signora. Links von mir würde langsam die Sonne untergehen und zwar so unglaublich orange, dass ich schamlos ein Foto durchs Zugfenster machen würde. Vor mir lägen mein Lieblingsbuch und eine Zeitschrift über Kunst und Leben, die beide unaufgeschlagen blieben, da ich verschwommene, friedliche Dörfer betrachten müsste, in denen Nonnas in verwaschenen Blumenkleidern und Spitzenschürzen hinter Perlenvorhängen Orecchiette formten.

Es gibt wohl keinen besseren Ort um ein bisschen wehmütig in sich hinein zu weinen, als einen aus Versehen in der ersten Klasse gebuchten Platz im Zug, am Fenster, aus dem der Blick unbestimmt schweift. Während auf dem Schoß ein Paket mit triefenden, Mozzarella reichen Snacks weilt, die schon eine gewisse Zeit aufgehoben werden, für die richtig hungrige Phase, die uns auf jeder Zugfahrt früher oder später ereilt. In dieser instabilen Gefühlslage führt eine traurige Liedauswahl zu stundenlangen, feinen Tränen. Alles zieht vorbei, alles ist endlich, nichts bleibt, auch nicht das Schöne. Was, wenn er geht und ich bleibe oder noch schlimmer, anders herum?

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Die Italienerin von gegenüber ist auf dem Weg nach New York City, sie hat drei riesige Gepäckstücke dabei und die gleiche Powerbank wie ich. Sie beißt entspannt in eine Focaccia, die hungrige Phase hat sie erreicht.

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Solo una pausa

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Dem Vespahelm folgend