Italienischer Sommer, eternal mood
Ferra ferra gosto gosto - Numero quatro
Piccola Pausa
Die italienischen Einwohner sind in pausa, am mare. In der Stadt zurück geblieben nur arme Austauschstudenten, in der Hoffnung auf den italienischen Sommer ihres Lebens, aus der Urlaubsplanung Geflogene und hartgesottene Restaurantbesitzer gewisser Etablissements in touristischen Zonen. Der August beschreibt einen Wendepunkt. Projekte wurden abgeschlossen, die Vacazione heiß ersehnt, während des Arbeitens bei 40 Grad und mehr. Zugtickets wurden gebucht, das letzte Eis gegessen auf der erhitzten Steinbank vor der geliebten Gelateria und Freunde verabschiedet. Sie gehen im Sommer und kommen wieder im frühen Herbst, der Höhepunkt des Jahres ist vorüber, das leichte Gefühl eines Seidentops auf nackter Haut, ohne Jeansjacke im Gepäck, auch. Sommerferien gibt es - ich hoffe - überall, doch der August in Italiens Städten ist ein besonders einschneidender. Wirklich alle verschwinden. Und ist es nur ein Monat, über den wir reden, fragst du dich unter leichter Sorge: Ist es danach genau so schön wie davor?
Dolce far niente. Ein italienischer Sommer ist romantisch, nostalgisch, friedlich, dort, wo ein deutscher Sommer Unbehagen hervorruft. Im Zug, zum Beispiel. Immer wieder taucht das dunkelblaue Mittelmeer im linken Fenster auf, italienische Mädchen mit Eastpacks, Buffalos, in ein aufgeregtes Gespräch vertieft, sind auf dem Weg zum Strand, so wie ich, so wie alle. Niemand kontrolliert, weder Hinfahrt noch Rückfahrt, alle ergeben sich der gleißenden Sonne und bewegen sich so wenig wie möglich, in einer Selbstverständlichkeit die da signalisiert: Ihr wisst es, im August ist Ruhe. In einer kleinen Bucht in Castiglioncello liege ich neben einem Pärchen auf den kleinen Kieseln und verfolge, wie Kinder mit Salzwasser verfilzten Haaren Quallen mit dem Kescher einfangen und eifrig unter Steinen begraben. Eine Frau unter einem geblümten Sonnenschirm entspannt sich stundenlang auf ihrer winzigen Luftmatratze, halb auf den Steinen, halb im Wasser, isst ab und zu einen Pfirsich und verkörpert meinen Wunsch nach gedankenlosem Nichtstun.
Alles ist so unbefangen schön. Der betagte Bahnhof, dessen Uhr wohl für immer auf halb Zwölf stehen geblieben ist, die verlassene Eisdiele Pineta Marradi und selbst der Conad City, in dem ich mich mit zwei Pfirsichen ausstatte.
In meinem Reiseführer steht, dass jährlich 5 Millionen Touristen die 380.000-Einwohnerstadt Florenz besichtigen. Ich vermute sehr, dass 2 Millionen von ihnen jetzt gerade hier sind und die toskanische Metropole bei entspannten 37 Grad genießen. Leergefegte Straßen im niederbrennenden Sonnenstrahl, hier und da ein wenig Müll - bei wüstenähnlichen klimatischen Bedingungen schweißgebadete Körperteile auf einer winzigen Brücke aneinander reiben. In Gruppen, die eine gesamte Piazza füllen, in der Mittagssonne dem motivierten Reiseguide lauschen, während das rettende Nass in der 3,5€ Wasserflasche langsam zu kochen beginnt und dann ungefragt verdampft. Unbesorgt ganze Straßenkreuzungen lahm legen, auf staubigen Fußwegen die wohlverdiente Mittagspause bei einem Sandwich enjoyen, das nach gut gelaunten dreißig Minuten Schlange stehen in Empfang genommen wurde. Das ist Urlaub. Nachts in der Via Americano unaufgeregt über die Stränge schlagen, ausgelassen, unbekümmert. Die authentischen Seitenstraßen laden ein zu nächtlichen, geschrieenen Streitgesprächen und dienen als eine willkommene Italy-Kulisse für Abstürze aller Art. Selfiesticks. Im Weg stehen über all dort, wo es Wege gibt. Bräsig, dösig, einnehmend wabernd, in breiter Trägheit.
Trotz des übergreifenden Ruhens öffnet das Café meines Vertrauens - Laptop always erlaubt, kein Zwang, etwas zu bestellen - jeden pomeriggio um vier und ich sitze im Puzzle der vielen zusammengesuchten Tische im Licht der verschwindenden Sonne. Es scheint, als entschuldige sie sich mit dieser Sanftheit für ihr Wüten gegen zwölf Uhr Mittags. Nach und nach treffen sie ein, die Übriggebliebenen. Die stets erschöpft schnaufende Frau mit dem hechelnden weißen Hund, der an ihrer Seite tänzelnd auf extra fallende Leckerbissen hofft. Der gut gekleidete Signore mit dem aufgeregten Hund, das lernende Mädchen, das regelmäßig Tische wechselt und Abends Chips bestellt. Die Frau mit den langen Kleidern und den kurzen grauen Haaren, die Lerngruppe bestehend aus vier semi motivierten ragazzi, die gegen sieben zum Aperitivo über gehen. Aus dem matten Lautsprecher schallt ein 80er Mix, den ich liebe.