You Gucci do what you Gucci do
Amore Amore - Numero Uno
"If you want we can do calm, like, drink a coffee". Italien als Satz. Das süße Leben, aber ohne Zucker und Milch, ganz pur, in einer kleinen weißen Tasse, in einer Seitenstraße an der Bar stehend, neben einem alten Mann, der "la Repubblica" lesend auf einem Barhocker sitzt und ein cornetto con crema verputzt. Oder auch in der minimalistsichen Caféteria einer italienischen Privatschule für Mode und Business Geschichten. Der Akt an sich nimmt sich nicht viel. "Der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ist ein Lächeln" heißt es abgeschmackterweise - oft auf Profilbildern zu alter Facebook-Nutzenden. In Italien aber ist es: "Prendiamo un cafè". Mit der anmutigen Merchandising-Lehrerin, nachdem sie einen der großen florentiner Parfümeure zu einem zwei Stunden langen Inspirationsvortrag in den Unterricht einladen konnte. Mit der "Health and Safety"- Beauftragten, die sich mit "I look like sixteen, but I'm not" vorstellte. Mit gerade erst kennen gelernten, möglicherweise aber bald sehr guten Freundinnen. Auf dem Weg zur zwölften Wohnungsbesichtigung, in der ein Zimmer ohne Tür wartet. Wenn ich mich auf dem einfachsten Weg für eine Minute oder zwei sehr italienisch fühlen möchte. Dann gehe ich in eine kleine Bar die Straße hinunter und stelle mich an den Tresen, "un caffè, per favore".
Nach vielen Jahren mühsamer Schnittmuster, vier verschiedenen Scheren und verkannten Modegöttern in den Fünfzigern, bin ich in der Stadt des Gucci angekommen. Ein regelmäßig gebrauchter Satz ist "That's so Gucci", eine Gucci-Düften gewidmete Präsentation anzufertigen eine legitime Hausaufgabe und den Gucci Garden zu besichtigen obligatoire. Hier findet sich der weltweit erste Gucci-Store. Hier sitzt Alessandro Michele in einer palastartigen Villa, geniest den Blick auf den Arno, während ihm der Einfall eines Babydrachens als Showaccessoire kommt. Bewege ich mich durch meine wunderschöne Schule, liegt die Wahrscheinlichkeit bei einhundert Prozent, dass eine meinen Weg kreuzende Madame ein Gucci-Item träg, oder auch ein Monsieur. Die jungen Lehrer diskutieren "I think I'm not a Gucci person", bei einem gemeinsamen Caffè. Das Phänomen hat einen Namen: Guccification. Hätte Guccio Gucci das gewusst! Auch wenn die finanziellen Mittel zum aktiven Part des Gucciversums fehlen, ist es ein befreiendes, leichtes Gefühl in einer Stadt der Guccificity zu leben - nichts ist zu oberflächlich, nicht zu schön, nichts zu seicht. Ästhetik ist ein Studienfach. Ein Foto von Luft eine Hausaufgabe. Mode ein Kulturgut. Modestudierende werden nicht gefragt, wie sie später ihr Geld zu verdienen gedenken. Allora.
Ich sitze im Bett, trage neben einem zu sommerlichen Pyjama ein paar Spritzer "Gucci Bloom" aus einem minikleinen Sample-Fläschchen und trinke einen Espresso. Amore amore.